Startseite Über mich (Elli) Die Story Kontakt Lauras Seite Inhalt
Die DetailsWissenswertesDie Pflicht
|
Kleine Nettigkeiten 1Ich arbeite in Gernots Kneipe... «Das ist dein Tisch!» Mit diesen Worten knallt Jeanette das Tablett auf den Tresen, dass die Gläser klirren und ich es gerade noch schaffe, mir das Weizenglas zu schnappen, das sich anschickt umzukippen. Nur vier Worte sind nötig und solch eine überzogene Aktion, dass sie mich auf die Palme bringt. Bevor ich ihr eine herzliche Entgegnung an den Kopf werfen kann, hat sie sich bereits mit einem koketten Hüftschwung umgedreht und sich mit ihrem zuckersüßesten Lächeln auf die neuen Gäste gestürzt, die sich an einen meiner Tische gesetzt haben. Genug, mir reicht es endgültig. Ich werde dieser Dame jetzt zeigen, wo der Hammer hängt. Wutschnaubend greife ich mir den Block für die Bestellungen und laufe ihr hinterher. Mich fegt es beinahe von den Schuhen, als mich jemand am Gürtel packt und festhält. Nur mit Mühe schaffe ich es, den Kampfmodus zu unterdrücken, als ich mich ruckartig umdrehe und in Gernots grinsendes Gesicht blicke. «Lass es bleiben, Elli. Sie ist es nicht wert», entgegnet er seelenruhig und bringt mich damit nur noch mehr auf die Palme. «Aber ich kann doch nicht zusehen, wie ...», keife ich fast tonlos, als er den Kopf schüttelt. Wasser, viel kaltes Wasser, auch wenn ich danach das Make-up auffrischen muss. Aber ich brauche jetzt erst einmal eine kurze Auszeit. Ich hoffe nur, dass mich Gernot tatsächlich eines Tages nicht am Gürtel festhält, wenn ich vorhabe, diese blondierte Giftnudel in den Boden zu stampfen. Seine Bemerkung geht mir durch den Kopf. Ich schmunzle, als ich in den kleinen Spiegel über dem Waschbecken schaue und mein Gesicht mit ein paar Papiertüchern trocken tupfe. Ich lasse die Haare seit einer ganzen Weile wachsen. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass nichts vorangeht. Im Gegensatz zu meiner Nichte Lucy, die mir abgesehen davon, dass sie nicht einmal halb so alt ist, wie ich, so sehr gleicht, dass uns viele für Mutter und Tochter halten. Um ihre Haare beneide ich sie. Lucy hat meine Augen, etwas weit auseinanderstehend, die ich wiederum von meiner Mutter geerbt habe, ebenso wie die schlanke Figur. Seit ein paar Wochen komme ich mir manchmal selbst eine Spur zu maskulin vor, mit dem Waschbrettbauch und den aufgeprägten Muskeln an den Armen aber nur, weil mich Walter beim Training so hart ran nimmt. Gernot hat recht. Bei meiner momentanen Kondition würde ich vermutlich nur einen Schlag benötigen, um dieses nervige Blondchen niederzustrecken. Mist. Walter. Hoffentlich hat er daran gedacht, wenigstens Kaffee und Joghurt einzukaufen. Sonst sieht es morgen ziemlich mager mit dem Frühstück aus. Ich krame in der Tasche nach der Wimperntusche, die angeblich sogar wasserfest sein soll, mit der Betonung auf soll. Der Lidschatten ist fast vollständig verschwunden. Ich verdrehe genervt die Augen. Aber es hilft nichts. Ich habe bereits zu Beginn des Jobs als Aushilfskellnerin bemerkt, dass sich mein Aussehen durchaus auf die Trinkgelder auswirkt. Ein bisschen offenherziger die Bluse, ein Knopf weniger genügt, etwas kürzer der Rock, aber nicht zu kurz und dezent geschminkt, gefällt den Gästen am besten. Rasch ziehe ich noch die Lippen nach und bin erneut erstaunt, dass es gar nicht so lange gedauert hat, mich wieder ansehnlich herzurichten. Wenigstens habe ich heute an die Bürste gedacht und muss mich nicht mit dem alten Kamm durch die Haare quälen. Ich habe keine Ahnung, warum es mich jedes Mal so nervt, mich zu schminken. Vielleicht sind solche Schönchen, wie diese Jeanette daran schuld, weil sie es übertreiben und sich regelrecht zukleistern. Mit der Folge, dass sie aussehen wie ein Malkasten. Ich muss grinsen, wenn ich daran denke, wie sehr sich die Giftnudel den ganzen Abend über bemüht hat, nahezu sämtlichen männlichen Gästen ihre Oberweite zu präsentieren, und trotzdem kaum Trinkgeld bekommen hat. Ich hingegen kann nicht klagen. Wenigstens ist mein Zorn auf sie wieder etwas verraucht. Ich erinnere mich sogar, dass Gernot gesagt hat, sie würde heute erneut früher gehen, wegen eines wichtigen Termins. Ich frage mich nur, welcher wichtige Termin es wohl an einem Mittwoch nach 22:00 Uhr sein kann? Und es ist in den letzten Wochen nicht das erste Mal, dass sie mit dieser Begründung ihre Schicht eher als geplant, beendet. Aber eigentlich ist mir alles recht, wenn ich sie nur nicht länger ertragen muss. Und Gernot ist froh, überhaupt Personal zu bekommen. Ich weiß nicht, wie viele Stunden wir schon diskutiert und uns die Köpfe darüber zerbrochen haben. Klar ist ein faires Gehalt ein sehr gutes Argument, um vernünftiges Personal zu finden. Aber um Spitzengehälter zu bezahlen, wirft Gernots Kneipe einfach nicht genügend ab. Was bleibt, ist mehr als der Durchschnitt, aufgebessert mit Trinkgeld. Immerhin kann ich nicht klagen, da ich zusätzlich noch eine kleine Gewinnbeteiligung mit Gernot vereinbart habe. Von der darf jedoch niemand wissen. Ich seufze enttäuscht und verlasse die Toilette. Mein großer Traum, einmal ausschließlich mit dem Beruf als private Ermittlerin genügend zu verdienen, muss wohl noch etwas warten. «Musstest du dir den Tampon erst selbst wickeln?», fährt mich Jeanette an, kaum dass sie mich sieht. Sie balanciert ein voll beladenes Tablett zu den Tischen. Und schon ist sie wieder dahin, die gute Laune. Ich balle die Hände zu Fäusten und versuche mich zu beherrschen. Lediglich die Hoffnung, sie heute nicht mehr lange ertragen zu müssen, kann mich beruhigen. Nur gut, dass ich hier keinen Spiegel habe, sonst hätte mich mein bitterböser Blick womöglich selbst verletzt. Ohne dass ich es will, verfolge ich sie mit den Augen und bekomme wenigstens ein bisschen Genugtuung zurück. Der ältere Herr am Fenstertisch lässt sich beim Abkassieren sogar das Kleingeld zurückgeben, obwohl sie ihm ihr Dekolleté fast unter die Nase gehalten hat. Doch der Gesichtsausdruck seiner Frau, die ihm gegenüber sitzt, spricht Bände, sodass er sich nicht traut, Jeanette nur einen Cent mehr zu geben. Vielleicht hat sie ihm sogar heimlich einen Fußtritt unter dem Tisch verpasst, weil er kurz zuckte und gar so leidend dreinschaut. Dementsprechend finster ist Jeanettes Miene, die vor Wut regelrecht schäumt. Ich schnappe mir rechtzeitig einen Kasten mit leeren Saftflaschen und verschwinde Richtung Keller. Und das Wunder geschieht tatsächlich. Als ich mit einen vollen Kasten Apfelsaft zurückkomme, steht Gernot am Tresen und grinst mich erleichtert an. Erst nach Mitternacht wird es deutlich ruhiger. Einige Stammgäste und drei junge Männer, die ich hier vorher noch nicht gesehen habe, sind übrig. Gernot nickt mir lächelnd zu, als ich ihm einen fragenden Blick zuwerfe, die Hand ausgestreckt zum Lautstärkeregler der Stereoanlage. Er wollte es zunächst nicht glauben und haderte eine gefühlte Ewigkeit. Dabei waren es nicht einmal drei Wochen, bis ich ihn so weit gebracht habe, auch hier in der Kneipe meinen Lieblingssender auszuprobieren. Der einzige Sender, der fast rund um die Uhr vernünftige Rockmusik spielt. Bereits eine Woche später haben ihn einige der Stammgäste darauf angesprochen und sich lobend geäußert, sodass er mich sogar zur Seite nahm, um sich bei mir zu bedanken. Manchmal vermute ich, dass er in mir weniger eine Kollegin sieht, sondern ein Stück weit eine Tochter, die er selbst nie hatte. Mir macht es nichts aus. Ganz im Gegenteil. So brauchte ich mir wenigstens nie Gedanken machen, von ihm angebaggert zu werden. So etwas käme für ihn nie in Frage. Sting trällert <Roxanne>, ein Lied aus der Phase mit seiner Band The Police. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass ich eine Zeit lang voll auf ihn abgefahren bin und die Platte rauf und runter gehört habe. Jetzt bekomme ich bereits Panik und Hitzewallungen, wenn ich drei Lieder hintereinander von ihm hören muss. Tja, so ändern sich eben die Geschmäcker. «Hier, den hast du dir verdient», grinst er und schiebt mir behutsam ein randvolles Glas Limoncello vor die Nase. «Danke. Du weißt eben, wie man Frauen verwöhnt», kichere ich und amüsiere mich, wie er schlagartig errötet und sich rasch abwendet. Schade, dabei ist er so ein guter Kerl, aber der Umgang mit Frauen liegt ihm nicht wirklich. |