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Kleine Nettigkeiten 3Anna Schönfelser macht sich Sorgen um ihre Tochter Nicole... Nicole ist noch immer nicht nach Hause gekommen und es ist ihm scheißegal. Sie hasst es, solche Worte zu gebrauchen, doch keines erscheint ihr im Moment passender zu sein. Nicole ist erst seit einem Jahr volljährig, auch wenn sie deutlich reifer und älter aussieht. Schon vor Stunden, als sie ihn darauf ansprach, hat er sich einfach seinen verfluchten, sündhaft teuren Whisky eingeschenkt und ist wortlos im Billardzimmer verschwunden. Was für sie so viel heißt, wie, das ist Sperrgebiet und du hast dort nichts zu suchen, weil ich meine Ruhe haben will. Die fordert er immer ein, wenn sie Probleme mit ihren Kindern haben. Egal ob mit Nicole oder Nils. Inzwischen hat sie sich daran gewöhnt, dass Nils nicht jeden Tag zuhause schläft. Besonders seit er mit seiner neuen Freundin durch die Stadt zieht. Aber Nicole? Sie wohnt schließlich noch bei ihnen. Als Eltern sind sie verantwortlich, zumindest in moralischer Hinsicht. Sie beide. Doch das interessiert Wilhelm nicht die Bohne, denn Kinder waren letztlich ihr Wunsch. Das muss sie sich nun bereits seit mehr als 21 Jahren anhören. Seit sie mit Nils schwanger war und wegen Blutungen das Bett hüten musste. Das wäre Wilhelm vermutlich sogar noch egal gewesen. Aber als der Arzt ihr obendrein dringend davon abriet, Sex zu haben, ist er schier ausgerastet. Dafür hätte er sie nicht geheiratet. Sie hätte gefälligst nicht nur den ihr zugedachten, gesellschaftlichen Verpflichtungen, sondern auch den ehelichen, nachzukommen. Es wäre schon genug, dass er für ihre Wünsche so viel Geld berappen muss. Unfassbar, als wären Kinder ausschließlich ihre Idee gewesen. Als hätte er niemals den Wunsch gehegt, eine richtige Familie zu haben. Sie war damals am Boden zerstört und wendete sich nach langem Ringen mit sich selbst, an eine ihrer Freundinnen. Sie war es nicht gewohnt, über solche intimen Dinge mit anderen zu sprechen. Ihre Eltern haben sie streng erzogen. Der Geschlechtsakt galt einzig und alleine der Fortpflanzung. Sie wären vermutlich aus allen Wolken gefallen, wenn sie erfahren hätten, wie ihr Schwiegersohn das sah. Und sie wären noch viel entsetzter gewesen, wenn sie miterlebt hätten, wie ausschweifend es ihre Berufskolleginnen jenseits der Laufstege und des Glamours der Haute Couture trieben. Noch heute errötet sie, wenn sie sich zurückerinnert. Die Freundin sah Vieles viel lockerer und verstand überhaupt nicht, wo ihr Problem lag. Es gäbe doch genügend Alternativen. Was dann folgte, daran kann sie sich nur noch bruchstückhaft erinnern. Sie erfuhr in einer halben Stunde mehr über Sex, als in ihrem gesamten Leben zuvor. Schon damals beneidete sie ihre Freundin darum, so viel Erfahrungen zu haben und vor allem, so ungezwungen und nüchtern darüber sprechen zu können. Es dauerte nochmals eine Woche bis zu ihrem Routinetermin beim Frauenarzt, bis sie all ihren Mut zusammen nahm, um sich auch eine ärztliche Meinung dazu einzuholen. Ihr Arzt müsste es schließlich wissen. Nicht genug, dass sie schon zwei Tage zuvor kaum schlafen konnte, weil sie sich das Hirn zermarterte, wie sie wohl dieses Thema am besten ansprechen könnte, endete es in einem regelrechten Fiasko. Noch nie hatte sie das Gefühl, dass sie jemand mit so viel Abscheu und Verachtung betrachtete, wie ihr Arzt, nachdem sie ihm die Frage stellte. Sie kam sich erniedrigt und gedemütigt vor, als wäre sie eine billige Straßenhure. Dabei empfand sie die Vorstellung Analsex zu haben weniger verwerflich, als dass es sie in hygienischer Sicht etwas davor graute. Die Sichtweise des Arztes erschütterte hingegen ihre Grundfesten der Moral, was dazu führte, dass sie den Gynäkologen wechselte, aus Scham, ihm wieder unter die Augen treten zu müssen. Erst Jahre später erfuhr sie die Ursache für seine ungewöhnliche Reaktion. Wie hätte sie auch wissen können, dass sein Sohn schwul war und ihn ein Sexualpartner mit AIDS infiziert hatte. Wenige Monate vor ihrem Termin war er daran verstorben. Eine Tatsache, über die der Vater nie hinweg kam. Ohne es zu bemerken, stiehlt sich eine Träne aus ihrem Augenwinkel. Erst als sie vom Kinn tropft, wischt sie die Wange mit dem Handrücken trocken. Sie hört das leise Klacken der Billardkugeln von nebenan. Er spielt noch immer dieses langweilige Hin und Her der Kugeln. Nur einmal hat sie das Spiel genossen, als er sie spontan zwang, sich zu entblößen und auf den Tisch zu knien. Er schoss geschickt Kugeln zwischen ihre Beine und Hände hindurch, ohne sie dabei zu treffen. Es war das einzige Mal, dass sie diesen grünen Filz mit ihren Fingern berührte, während er ihr das Kleid und den Slip fast in Fetzen riss, als er ungeduldig von hinten in sie eindrang. Das war vor vielen Jahren und so lange her, dass die Erinnerung daran immer mehr verblasst. Er war damals ziemlich angetrunken, doch es störte sie nicht. Inzwischen hatte sie gelernt, damit zu leben. Seitdem meidet sie den Raum, weniger wegen dieses Ereignisses. Es hatte ihr durchaus Freude bereitet. Vielmehr war es der Tatsache geschuldet, dass er ihr nur allzu oft unmissverständlich zu verstehen gab, ihn dort drin nicht zu stören. Niemals. Unter keinen Umständen. Sie wird wohl wieder hoch in ihr Zimmer gehen und ausharren. Es ist das Einzige, was sie tun kann. Noch länger in der Küche sitzen, macht keinen Sinn. Sie weiß nicht, ob sie diese Nacht Schlaf finden wird. Aber es ist ihr auch egal. Er wird es sowieso nicht bemerken, denn sie schlafen bereits jahrelang in getrennten Zimmern. Er bestand darauf, weil er ihr sein lautes Schnarchen nicht zumuten wollte. Sie glaubt es ihm bis heute nicht, dass dies der wahre Grund war. |