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Alltägliches 1Aufstehen müssen kann so grausam sein... Ahh! Lärm! Der Wecker schreit mit voller Lautstärke typische Aussieklänge und lässt mir fast den Kopf zerplatzen. Ich erkenne die Stimme von Brian Johnson sofort, ebenso den AC/DC-Song <Ballbreaker>. Unwillig knurre ich in das Kopfkissen. Das grelle Licht quält mich, als ich träge ein Lid öffne, aber nicht mehr als ein Blinzeln zustande bringe. Die gleißende Sonne schickt noch weitere schmerzvolle Blitze in mein Gehirn. Ich versuche es blind und taste unbeholfen nach dem Wecker. Endlich finde ich die große Stummtaste und plötzliche Stille umfängt mich. So gerne ich diesen Radiosender auch höre, besonders weil ich dort rund um die Uhr anständige Rockmusik geboten bekomme, so sehr verfluche ich ihn an solchen Tagen. Verdammt, warum bin ich eigentlich auf die blöde Idee gekommen, mich kurz vor 8:00 Uhr wecken zu lassen? Gestern war es spät geworden, sehr spät. Genaugenommen war es schon heute. Aber ich muss mich an die eigene Nase fassen und finde keinen anderen Schuldigen, als mich selbst. Gernot hatte mir bereits um Mitternacht angeboten, die Segel zu streichen und nach Hause zu gehen. Aber das Lokal war noch gut besucht und ein rascher Blick in die Runde offenbarte mir so manch lukratives Opfer für ein saftiges Trinkgeld. Ich bin immer wieder erstaunt, was ein etwas freizügigeres Dekolleté, ein bauchfreies Tank-Top oder knappe Hotpants so alles bewirken können. Anfangs spielte ich sogar mit dem Gedanken, mit sexy Netzstrümpfen und High Heels eins drauf zu setzen. Gernot riet mir strikt davon ab. Ich sehe noch heute sein mitleidiges Lächeln vor mir. Eigentlich war der Anlass recht traurig, denn seine langjährige Freundin hatte ihn von heute auf morgen verlassen und war mit einem der Stammgäste nach Mallorca abgehauen. Über Nacht packte sie ihre Koffer, nahm es nicht so genau mit meins und seins und hinterließ ihm nicht nur eine halb leere Wohnung, sondern auch ein bis auf magere 500 € geplündertes Bankkonto. Sämtliche Ersparnisse bis auf einige Wertpapiere und Pfandbriefe waren futsch. Unwiederbringlich. Das Pochen im Kopf lässt allmählich nach. Trotzdem schreit alles in mir nach einer Schmerztablette und einer schönen heißen Dusche. Bilder von gestern Abend erscheinen vor meinem inneren Auge. Ich hatte Recht behalten, konnte zwei jüngeren Kerlen noch ein paar Runden Hochprozentiges aufschwatzen und musste ihnen später ein Taxi holen. Das Trinkgeld war mehr als fürstlich. Einen älteren Herren, den ich in den letzten Wochen öfter bei uns gesehen habe und der meist einen der Tische abseits der Theke wählte, beglückte ich wieder in gewohnter Weise mit etwas Small Talk. Obwohl er dabei jedes Mal einen glücklichen Eindruck machte, wenn ich mit ihm über so banale Sachen wie das Wetter, Fußball oder irgendwelche Veranstaltungen sprach, musste ich mir eingestehen, so gut wie nichts von ihm zu wissen. Nicht einmal wie er hieß, wo er wohnte oder was ihm bei uns so gut gefiel. Und das mir. Pah, private Ermittlerin will ich sein und schaffe es nicht, einem älteren Herren den Namen zu entlocken. Zumindest für sein Trinkgeld bin ich dankbar und biete ihm meist auch noch einen etwas tieferen Einblick in meinen Ausschnitt, den er mit gierigen Blicken sichtlich genießt. Was mich so lange aushalten ließ, war allerdings ein anderer Gast. Jemand, den ich zum ersten Mal in der Kneipe sah und der mir von Anfang an sympathisch wirkte. Er kam gegen 23:00 Uhr, setzte sich direkt rechts außen an den Bar-Tresen und bestellte sich einen Cocktail, einen Mai Tai. Nicht gerade der häufigste Cocktail, den die männliche Kundschaft bei uns verlangt. Vielleicht hat er deshalb meine Neugierde geweckt. Als er relativ kurz darauf einen Zweiten orderte, kamen wir ins Gespräch. Ich schätzte ihn auf Mitte Vierzig und mir gefiel sein gepflegtes Äußeres. Dunkle, krause Haare rahmten ein markantes, glattrasiertes Gesicht mit dominantem Kinn und einem breit lächelnden Mund ein. Seine Augen strahlten rehbraun, wirkten jedoch auch irgendwie traurig. Als er mir eröffnete, dass seine Scheidung schon einige Jahre hinter ihm lag und die Trennung damals alles andere als einvernehmlich verlaufen war, erfuhr ich sicherlich einen der Gründe dafür. Je länger wir uns unterhielten, es ihn nicht im Geringsten störte, dass ich dabei weiterhin Gläser spülte und abtrocknete, desto mehr gefiel er mir. Er sei Rektor am hiesigen Wilhelm-Löhe-Gymnasium und half manchmal sogar als Dozent in Chemie an der technischen Fakultät der Uni aus. Dies sei das Einzige gewesen, dass ihm damals geholfen hätte, aus seinem emotionalen Loch zu entkommen. Als er meinte, mich heute zum ersten Mal zu sehen, war klar, dass er die Kneipe häufiger besuchte, ich ihn bisher nur immer verpasst hatte. Ich eröffnete ihm, dass ich nur an einigen Tagen Teilzeit arbeiten würde und es nicht meine Hauptbeschäftigung sei. Er fragte nicht nach und ich war ihm sehr dankbar dafür. Private Ermittlerin bekamen manche Männer rasch in den falschen Hals und ließen mich fallen, bevor sie überhaupt wussten, wie ich hieß. Eine schmerzvolle Erfahrung, die mich lehrte, an dieser Stelle etwas vorsichtiger zu agieren. Ich sehe noch heute die entsetzten und erstarrten Gesichter der Mannsbilder vor mir, denen mein Hauptberuf kein bisschen behagte. Im Nachhinein bin ich froh darüber, so schnell die Spreu vom Weizen getrennt zu haben. Überwiegend waren es verheiratete Typen, die mit einem kleinen Seitensprung die Absicht hegten, ihr trauriges Liebesleben zu bereichern. Da musste mir der Kerl schon ausgesprochen gut gefallen, dass ich mich als Lückenbüßer herabließ, wenn auch nie mehr als zu einem One-Night-Stand. Wollte ich eine längere Beziehung, blieb mir nichts anderes übrig, als irgendwann mit der Wahrheit heraus rücken. Nur einer hielt mir einige Zeit die Treue und wir schafften ein knappes Jahr, bis sich unsere Wege wieder trennten. Seitdem sind wir weiterhin nur gute Freunde, Walter und ich. Ein Arrangement, das anfangs ziemlich verwirrend für uns beide war, besonders was den Sex betraf. Ich hatte keinen Mann zuvor erlebt, mit dem ich mich beim Sex so wohl und befriedigt gefühlt habe, wie mit ihm. Und es beruhte auf Gegenseitigkeit. [..] Nein, nicht einmal hervorragender, überwältigender Sex genügte auf Dauer. So sehr wir in dieser Weise harmonierten, so deutlich unterschieden wir uns auf anderen Gebieten. Wir waren beide nicht häuslich, was häufig in kleineren Wortgefechten mündete, weil wieder irgendetwas fehlte, und sei es nur das Toilettenpapier. Wer war schuld daran? Wer hätte es besorgen müssen? Mich mit solchen banalen Schuldzuweisungen und Fragen herumzuschlagen, machte mich rasend. Er schaffte es, über solche Dinge stundenlang mit mir zu streiten. Doch es war nicht nur das Toilettenpapier, sondern alle möglichen Kleinigkeiten, über die wir stritten. Manchmal wusste ich kurze Zeit später nicht mehr den Grund, warum wir uns in die Haare gekommen waren. Ich brauchte dann erst einmal für einige Stunden Abstand, schwang mich aufs Fahrrad oder ging unten am Fluss joggen. Nur raus aus der Wohnung und weg von ihm. Letztendlich überforderte ich Walter allerdings mit meinem ungezügelten Drang nach Selbstständigkeit. Da bin ich mir inzwischen ziemlich sicher. Ich hasse es, von jemandem abhängig zu sein, vor allem in finanzieller Hinsicht. Eigentlich meinte er es nur gut mit mir. Als Inhaber einer Sicherheitsfirma verdiente er recht gut. Fraglos bekam er im Job viel von der Gewalt mit, die mittlerweile in der Gesellschaft herrschte und vertrat deshalb die Meinung, eine Frau hätte darin nichts zu suchen. Sie käme in dieser Welt früher oder später unweigerlich unter die Räder. Ermittler und weiblich schlossen sich für ihn einfach aus, ohne staatlichen Schutz, wie bei Polizei oder Militär. Ich war wie vom Donner gerührt, als er mir dies alles bei einem unserer hitzigen Gespräche um die Ohren schlug. Wie konnte er sich nur erdreisten, mir den Job madig zu reden? An diesem Abend verließ ich wortlos unsere Wohnung und schlief bei einer Freundin. Ganze zwei Tage hielt ich es durch, kein Wort mit ihm zu wechseln. Als ich mir dann aber bei einem Feuergefecht mit einem Verbrecher einen Streifschuss und jede Menge Blessuren eingehandelt hatte, kam es zum Bruch. Eigentlich war unsere Beziehung nach meinem Empfinden bereits kurz zuvor beendet. Doch mir fehlte einfach der Mut, es ihm zu sagen. Wir schafften es, uns ohne großen Streit zu trennen, was ich Walter hoch anrechne. Ich lag damals kurz im Krankenhaus und fand nach der Entlassung vorübergehend Unterschlupf bei einer Freundin. Das ist jetzt schon wieder eine gefühlte Ewigkeit her. Für uns war eine Trennung eindeutig das Beste. Er konnte mir nicht mehr ständig seine Angst um mein Wohlbefinden unter die Nase reiben. Und ich brauchte mich nicht länger für jede riskantere Aktion zu rechtfertigen. Trotzdem sind wir weiterhin Freunde und ich weiß, dass er sich noch immer Sorgen um mich macht. Doch wir haben gelernt, auf einer professionellen Ebene miteinander zu sprechen, und ich bin ihm dafür sehr dankbar. Ich kann mich auf ihn verlassen, wenn ich Hilfe benötige, und er erspart mir die früheren Standpauken. Dass er sich gelegentlich in Naturalien entlohnen lässt, kommt mir nicht ganz ungelegen. In dieser Hinsicht verstehen wir uns nach wie vor blendend. Allmählich wird es jedoch Zeit, dass ich beginne mich nach etwas Ernsthaftem umzusehen. Ich habe das Gefühl, dass mit Anfang 40 die Chancen zusehends schwinden, einen vernünftigen Kerl zu finden. Meine letzten Erfahrungen waren alles andere als berauschend. Auch was mir Freundinnen so erzählten, baute mich nicht wirklich auf. Entweder traf ich auf vorgeschädigte Männer, die nach ihrer Scheidung für einen Schwarm Kinder sorgen mussten und kein weiteres Thema kannten. Oder ich geriet an Kotzbrocken, die einfach keine Frau vor mir haben wollte. Warum sollte dann ausgerechnet ich diejenige sein? Nein. Für mich zählt nur eins. Ich muss auf diesem spärlichen Markt denjenigen finden, der mir die geringsten Kompromisse abverlangt. Einen neuen <Walter> brauche ich nicht. Leichter gesagt, als getan. Bei Hans-Peter hatte ich ein gutes Gefühl. Er machte auf mich den Eindruck, die Schrecken seiner Trennung überwunden zu haben, wenngleich einige kleine Wunden übrig geblieben sind. Doch die können heilen und ich würde ihm liebend gerne dabei helfen. Als ich den Tisch des alten Herren abräumte und sauber wischte, wagte ich einen unauffälligen Blick über die Schulter und musterte Hans-Peters Rückansicht. Zum Glück bin ich mit einer schnellen, selektiven Wahrnehmung gesegnet, was mir nicht nur als Ermittlerin zugutekommt. Ich konnte mir ein ziemlich genaues Bild davon machen, wie er stehend und liegend aussehen würde, sogar unbekleidet. Sein Blazer passte wie angegossen, brachte die breiten Schultern gut zur Geltung, die so gar nicht an einen akademisch verklärten Rektor eines Gymnasiums erinnern wollten. Die schwarzen Jeans wirkten schon fast verwegen, doch zeigten sie mir auch eine ansprechende Ansicht des Gesäßes. Endlich einmal ein Mann mit genügend Arsch in der Hose, seufzte ich insgeheim und beendete die Kurzvisite. Er schenkte mir ein freundliches und offenes Lächeln, als ich zurückkehrte. Ich kann mich nur wiederholen: "Ein Mann mit genügend Arsch in der Hose..." |